Vor ein paar Monaten habe ich in diesem Thread einige allgemeine Fragen in Sachen Studiofotografie gestellt - es war der
Beitrag #141
Mittlerweile habe ich aus einer ganz anderen Ecke per EMail Antworten bekommen - und die will ich Euch natürlich nicht vorenthalten - danke an
Jaqueline Esen!
(Den Teil meiner Original-Frage lasse ich schwarz - Jaquelines Antworten mache ich blau)
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Thema Haarlicht: Wie macht Ihr das denn? Ich habe festgestellt, daß ich mit dem Reflektor+Wabe garnicht so genau "zielen" kann bzw. einen zu kleinen Bereich abdecke - wenn das Modell sich bewegt, dann "trifft" es schon nicht mehr so richtig.
Das ist leider das Problem mit der Licht-Einrichtung. Du kommst nur um dieses Problem herum, wenn du das Haarlicht von vorneherein so setzt, dass ein größerer Bereich ?vorsorglich? angestrahlt wird, vielleicht indem du den Abstand von Reflektor & Wabe zum Modell etwas vergrößerst, dann hast du bzw. das Modell mehr Spielraum. Wird möglicherweise dazu führen, dass du insgesamt aber weniger Licht hast, dass der Effekt vielleicht nicht ganz so schön ist, wie wenn es ganz korrekt und punktgenau an- bzw. ausgeleuchtet ist.
Vielleicht bin ich da auch zu spontan... stellt Ihr denn bei jedem noch so kleinen Stellungswechsel die Blitze neu ein?! Ich meine - schon klar, daß wenn man von stehender z.B. zu liegender Position wechselt, daß dann was zu tun ist - aber bei ner' "Drehung links, Kopf in den Nacken"?
Ich arbeite nicht gerne im Studio genau aus diesem Grund. Ich bin auch sehr spontan und das ständige Blitze neu einrichten und die Notwendigkeit, das Modell millimetergenau zu dirigieren, dass es mit dem Licht passt, widerstrebt meiner Art zu arbeiten. Deshalb verwende ich auch nur sehr ungern das Stativ. Das alles führt nämlich dazu, dass man nicht mehr so spontan reagieren kann. Aber: es ist auch Übungssache. Ein Stativ würde ich dann verwenden, wenn ich mit der Mittelformatkamera arbeite und mir ggf. später Ausschnitte heraus vergrößern kann oder muss. Die MF kann ich nicht halten, schlicht gesagt. Die Kleinbild-Kamera schon. Stativ hilft und ist unerlässlich
- bei längeren Belichtungen, wenn du mit Bewegung arbeitest.
- Damit du das Modell direkt ansprechen und anschauen kannst, und nicht ständig durch den Sucher blicken musst
- Um Verwacklungsunschärfe zu vermeiden
- Um das Bild wirklich positionsgenau einzurichten. Das Modell darf sich dann aber auch (leider) nicht mehr frei bewegen.
Für das ?klassische Studioportrait?, das man vom Fotografen kennt, sind die Rahmenbedingungen: Blitzlicht einrichten, Kamera aufs Stativ und Modell mit geringer Bewegungsfreiheit
Bedenke dabei vielleicht eines: das ist das Handwerk. Wenn man es beherrscht: gut. Aber man muss nicht (immer) so fotografieren.
Ich weiß, dass sich die Leute gerne so sehen. Es sieht auch toll aus und sehr professionell. Aber solchen Aufnahmen fehlt (meinem persönlichen Geschmack nach) oft das Leben.
Thema Abstände: Bisher weiß ich, daß das Modell rund 1,5 Meter vom Hintergrund weg sein soll und der Hauptblitz wiederum rund 3 Meter vom Modell (pauschal gesagt). Soweit so gut. Wenn ich's nun verändere... verstehe ich das dann so richtig:
Wenn das Modell näher zum Hintergrund kommt werden die Schatten auf dem Hintergrund stärker und Unsauberkeiten auf dem Hintergrund sind u.U. zu erkennen (Knicke, Falten Flecken). Andererseits habe ich den Vorteil von mehr Bewegungsfreiheit, da der Hintergrund nicht gleich "aus" ist - ich kann also noch "mehr" von Unten oder von der Seite fotografieren.
Richtig oder habe ich was mißverstanden / vergessen?
Modell näher am Hintergrund: Schattenproblem, korrekt erkannt. Unsauberkeiten auch, die Knicke und Falten sieht man auch und vor allem dann, wenn das Licht zu stark von der Seite kommt; dann werfen selbst minimale Falten riesige Schatten
Korrekt ist auch, dass du mehr Bewegungsfreiheit hast.
Darüber hinaus gesagt: du bist gesegnet mit viel viel Platz in alle Richtungen. In unserem Fotoclub-Studio haben wir deutlich weniger Platz. Die Blitzköpfe sind keine drei Meter vom Modell entfernt, der ganze Raum ist nur 4 Meter breit, normal hoch und 8 Meter lang, aber.
Ich habe außerdem gelesen, daß die Schatten stärker/kontrastreicher werden, je weiter der Blitz (Softbox) vom Modell entfernt ist. Kann ich mir garnicht erklären - ich hätte andersherum getippt... aber gut - hängt wahrscheinlich mit der Softbox zusammen.
Nein, das hat mit der Softbox nichts zu tun. Wenn du den Abstand zwischen Lichtquelle und Modell vergrößerst, wird auch eine Softbox durch den größeren Abstand zu einer ?gerichteten? Lichtquelle. Nicht so stark wie ein Spot, natürlich.
Bei Reflektor/Wabe - ist's da anders herum (stärkere Schatten, je näher der Blitz dran ist)?
Reflektor/Wabe ist von vorneherein gerichtetes Licht, d.h. grundsätzlich stärkerer Schatten im Vergleich zur Softbox. Was meinst du mit ?stärkerer? Schatten? Das kommt nämlich ganz darauf an. Schatten sind immer abhängig von mehreren Faktoren:
- Der Art der Lichtquelle (gerichtetes oder weiches Licht),
- dem Abstand der Lichtquelle zum Modell und dann noch einmal
- dem Abstand von Modell zu Hintergrund
- der Art des Hintergrundes
- ?und natürlich aus welcher Richtung du beleuchtest
Als ?Zennie? bin ich hier geneigt, die Praxis sprechen zu lassen anstelle theoretischer Sermone. Aber ich ahne, dass dich das in dieser Phase des Seins nicht wirklich befriedigt. Du möchtest sicher klare Regeln, die dich im Handumdrehen zum perfekten Ergebnis führen ;-)
Thema Stativ: Ich fotografiere im Studio fast immer ohne Stativ. Außer bei bodennahen Aufnahmen nutze ich einen Bohnensack o.Ä. - mich würde interessieren, wie Ihr das macht. Wer von Euch nutzt ein Stativ - wer nicht - und warum?!
siehe oben
Und letzter Punkt:
Thema Blende: Wenn ich das richtig sehe, dann gibt es folgende zwei Möglichkeiten (mit Zwischenstufen):
Entweder nehme ich eine kleine Blende (sprich: große Blendenzahl z.B. 11 oder 16) und habe daher das Modell von vorne bis hinten scharf abgebildet - brauche allerdings entsprechende Blitz-Power.
korrekt
Oder ich nehme eine große Blende (sprich kleine Blendenzahl z.B. 2,8 oder 4) und kann dadurch schnellere Bildfolgen machen weil der Blitz nicht auf voller Power steht und somit schneller nachladen kann. Hat halt den Nachteil, daß evtl. unschärften in's spiel kommen, wo sie nicht sein sollen (je nach Lage/Position des Modells).
Ebenfalls korrekt
Aber ansich macht es doch sonst wenig Sinn, im Studio eine kleine Blende zu verdenden um einen unscharfen Hintergrund zu bekommen.
Wenn du in Sachen Schärfentiefe auf der sicheren Seite sein willst, z.B. wie bei dem liegenden Modell, dann kommst du um eine große Blendenzahl (kleine Blende) nicht herum. Die Sache mit der Blende hat in diesem Zusammenhang mehr mit der Gestaltung zu tun und wie du den Blick des Betrachters durch das Bild führen willst. Manche Fotografen arbeiten bewusst mit offener Blende und stellen nur auf die Augen der Portraitierten scharf, der Rest des Gesichts verläuft z.T. schon in Unschärfe ? das ist manchmal ein Fehler, manchmal bewusste Gestaltungsabsicht. Du musst dir vorher im klaren sein, was du willst, wo und wie die Schärfe im Bild verteilt sein soll ? danach richtet sich die Blende. Wenn du nicht genug Power hast, dann bleibt dir keine Wahl, sobald du die Iso-Zahl ausgereizt hast, musst du die Blende aufreißen, um korrekt belichtete Bilder zu kriegen.
Wieder konkret: Habe ich das richtig verstanden oder wie macht Ihr das so ?!
Wie ich das so mache: erst mal ganz ohne Blitzanlage im Sommer entstanden:
http://www.betrachtenswert.com/fotografie/portfolio/people/akt/anna.htm
So viel für heute. Ich hoffe, ich konnte dir wenigstens ein bisschen weiterhelfen.
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Jup - ich sage nochmal "Danke" an Jaqueline - auch im Namen von so manchem "Mitleser" (igitt... hört sich fast an wie "Mitesser"
).